DFAB HOUSE

DFAB HOUSE ist ein als Gemeinschaftsprojekt entstandener Forschungsbau des Schweizerischen Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) Digitale Fabrikation auf dem NEST Gebäude der Empa und Eawag. Im Rahmen dieses realmassstäblichen Bauprojektes arbeiteten Forschende von acht Lehrstühlen der ETH Zürich mit Branchenexperten und Planungsfachleuten auf einzigartige Weise zusammen, um gemeinsam zu erforschen und zu testen, wie die digitale Fabrikation den Entwurfs- und Bauprozess verändern kann.

DFAB HOUSE ist insofern einzigartig, als es nicht nur digital entworfen und geplant, sondern auch weitgehend mit digitalen Prozessen gebaut wurde – sowohl vor Ort auf der Baustelle als auch in Vorfabrikation. Sein Entwurfskonzept basiert auf der Erforschung der architektonischen und technischen Auswirkungen ausgewählter digitaler Bauprozesse, die im Rahmen derinterdisziplinären Forschung am NFS Digitale Fabrikation von acht Professuren der ETH Zürich entwickelt wurden.

Im Rahmen von DFAB HOUSE werden sechs solcher Technologien nun erstmals aus der Forschung in die architektonische Anwendung überführt: der In situ Fabricator, ein vielseitig einsetzbarer, autonomer Roboter zur Vor-Ort-Fertigung von Bauelementen; Mesh Mould, ein schalungsfreier, robotischer Prozess zur Herstellung stahlbewehrter Betonstrukturen; Smart Dynamic Casting, ein automatisiertes Gleitschalungsverfahren für den Betonbau; Smart Slab, funktional integrierte Deckenelemente, die mit 3D-gedruckter Schalung hergestellt werden; Spatial Timber Assemblies, ein von kollaboraierenden Robotern fabrizierter Holzmodulbau und Lightweight Translucent Façade, ein integriertes, flexibles Fassadensystem mit Aerogel-Dämmung. Die Kombination dieser neuartigen Bauprozesse in einem Bauwerk ermöglicht es, die Gesamtplanung und den Bauprozess neu zu denken und die Vorteile der digitalen Kette von Gestaltung, Planung und Fabrikation auszunutzen: Neue Gestaltungsmöglichkeiten, sparsamerer Materialeinsatz, Zeit- und Kosteneffizienz sowie eine verbesserte Qualitätskontrolle.

Die Bauarbeiten begannen mit dem Einsatz der Mesh-Mould-Technologie, die 2016 mit dem Swiss Technology Award ausgezeichnet wurde. Der In situ Fabricator spielte hier eine zentrale Rolle. Es handelt sich dabei um einen autonomen, mobilen und vielseitig einsetzbaren Bauroboter, der darauf ausgelegt ist, unter den sich laufend verändernden Bedingungen auf einer Baustelle zu funktionieren. Ein von diesem Roboter hergestelltes Stahlbewehrungsgitter dient gleichzeitig als Schalung und als Bewehrung für eine tragende Betonstruktur. Es entstand so eine doppelt gekrümmte Wand, welche die Architektur des offenen Wohn- und Arbeitsbereichs im Erdgeschoss prägt.

Auf dieser Wand kommt dann der vorgefertigte Smart Slab zu liegen – eine statisch optimierte und funktional integrierte Geschossdecke, deren Schalung mit grossformatiger 3D-Sanddruck-Technologie hergestellt wird. Diese Technologie weist einen für Betonbauten in Gebäudegrösse beispiellosen Komplexitäts- und Präzisionsgrad auf.

Die Smart-Dynamic-Casting-Technologie kommt für die Fassade des Erdgeschosses zum Einsatz. Dieses automatisierte, robotergesteuerte Gleitschalungsverfahren fabriziert massgeschneiderte Fassadenpfosten aus Beton mit variablen Querschnitten, die auf den individuellen Lastfall jedes einzelnen Bauelements zugeschnitten sind.

In den beiden oberen Geschossen befinden sich die Privaträume der zukünftigen Bewohner. Sie wurden als Spatial Timber Assemblies, dreidimensional fabrizierte Holzbaumodule, im Robotic Fabrication Laboratory der ETH Zürich vorgefertigt; die geometrisch komplexen, unterschiedlichen Module wurden von kooperierenden Robotern in einem neuen Verfahren räumlich zusammengefügt.

Zusätzlich zu diesen neuen digitalen Bauprozessen wurde in das Tragwerksystem der Holzbaueinheit ein neuartiges lichtdurchlässiges Leichtbau-Fassadensystem integriert. Die Daten zu Benutzerfreundlichkeit und Energieeffizienz dieses Systems werden während der Betriebsphase des Gebäudes gesammelt und analysiert.

Des Weiteren wird intelligente Haustechnik zur Steuerung der mechanischen Anlagen, des Lichts und des Sicherheitssystems des Gebäudes verwendet. Dadurch können neue Formen der Benutzerinteraktion mit der Gebäudeumgebung untersucht und die Energieeffizienz des Gebäudes optimiert werden.

Da DFAB HOUSE ein Teil des modularen Forschungs- und Innovationsgebäude NEST der Empa und Eawag ist, wird die Forschung auch nach seiner Fertigstellung fortgeführt. Dazu gehört die Langzeitbeobachtung der digital fabrizierten Tragwerksysteme, das Messen  der Energieeffizienz des Gebäudes im Betrieb sowie die Auswertung der Benutzerfreundlichkeit und des Gesamterlebnisses aus Sicht der Benutzer. Die während des Gebäudebaus und -betriebs gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, die Chancen auf eine Markteinführung neuer Technologien zu erhöhen.

Beteiligte Akteure:
Forschung
Prof. Matthias Kohler, Gramazio Kohler Research, ETH Zürich
Prof. Fabio Gramazio, Gramazio Kohler Research, ETH Zürich
Prof. Dr. Benjamin Dillenburger, Digital Building Technologies Group, ETH Zürich
Prof. Dr. Jonas Buchli, Agile & Dexterous Robotics Lab, ETH Zürich
Prof. Dr. Robert Flatt, Professur für Physikalische Chemie von Baumterialien, ETH Zürich
Prof. Dr. Joseph Schwartz, Professur für Tragwerksentwurf, ETH Zürich
Prof. Dr. Walter Kaufmann, Professur für Baustatik und Konstruktion – Massiv- und Brückenbau, ETH Zürich
Prof. Dr. Guillaume Habert, Professur für Nachhaltiges Bauen, ETH Zürich

Architektur
Konzept: Prof. Matthias Kohler, Konrad Graser
Design und Projektleitung: Konrad Graser (Leitung), Marco Baur, Sarah Schneider
Mitwirkende: Arash Adel, Dr. Aleksandra Anna Apolinarska, Prof. Dr. Benjamin Dillenburger, Dr. Kathrin Dörfler, Rena Giesecke, Prof. Fabio Gramazio, Dr. Norman Hack, Matthias Helmreich, Andrei Jipa, Prof. Matthias Kohler, Dr. Ena Lloret-Fritschi, Dr. Mania Aghaei Meibodi, Fabio Scotto, Demetris Shammas, Andreas Thoma

Tragwerksentwurf
Konzept: Prof. Dr. Joseph Schwartz
Projektingenieur: Marco Bahr
Mitwirkende: Dr. Jaime Mata Falcón, Prof. Dr. Walter Kaufmann, Daniel Rönz, Thomas Wehrle

Bauherrschaft
Empa

Planungsteam
Architektur: NFS Digitale Fabrikation
Generalplaner: ERNE AG Holzbau
Baustatik und Konstruktion: Dr. Schwartz Consulting AG
Bauphysik: BAKUS Bauphysik und Akustik GmbH
Elektrotechnik: Elektro Siegrist AG
HVAC/Sprinklersystem, Planer: Häusler Ingenieure AG
Gebäudetechnologie: Schibli Gebäudetechnik
Lichtgestaltung: Sommerlatte & Sommerlatte AG

Management und Kommunikation
Geschäftsführer: Dr. Russell Loveridge
Finanzen: Blanca Hren
Kommunikation: Dr. Linda Seward, Tanja Coray, Giulia Adagazza, Orkun Kasap

Bildrechte:
NFS Digitale Fabrikation